26.01.2014 — 11:30 Irena Brežná: Die undankbare Fremde
Irena Brežná in der Slowakei geboren, ist Journalistin, Schriftstellerin, Psychologin und Menschenrechtlerin. 1968 „Wir ließen unser kleines Land im vertrauten Dunkel zurück und näherten uns der leuchtenden Fremde“, so beginnt ihr preisgekrönter vieldiskutierter Roman Die undankbare Fremde (Galiani 2012), der nicht nur in der reichen Schweizer Fremde hohe Wellen schlug.
Die Autorin, die nicht nur in Tschetschenien als Kriegsreporterin unterwegs war, reiht in diesem Schweizer Paradies voller Ordnungshüter eine Galerie extremer Lebensgeschichten aneinander, erzählt in einer farbig-grellen Sprache von Gaunern, Selbstmördern, Schlawinern, Überanpassern, Naiven und Idealisten. So hüllenlos und ohne Weichzeichner gegen sich und andere wurde noch nie über Emigration geschrieben. Ein Roman mit großer Sprengkraft.
Eingeladen habe ich Irena Brežná in meine Reihe, die das Welten-erwandern, das Ein- und Aus-wandern, die Suche nach DEM uns zugehörigen Ort zum Thema hat, da sie wie wenige der heute Schreibenden und Wortführenden das Fremdsein und das Fremdbleiben an den Orten, an denen wir Zuflucht suchen, vielleicht auch finden, in ein ganz neues, zuweilen grelles Licht rückt.
Sie schreibt und theoretisiert jedoch nicht nur im stillen Kämmerlein, sondern betätigt sich – damals wie heute – als sprachliche Brückenbauerin, fährt zwischen russischen, slowakischen, tschechischen und eben Deutschen oder auch Schweizerdeutschen Sprachgestaden im Über-setzer-Boot hin und her.
Sie dolmetscht in vielen Abteilungen der Spitäler, im Frauenhaus, bei der Opferhilfe, beim Schulpsychologen, im Jugendamt .. und so fort.
Der existentiellen Kategorie des FREMDSEINS steht der vielbeschworene Begriff der INTEGRATION gegenüber; er leitet sich vom Lateinischen INTEGRATIO – also ERNEUERUNG – ab und genau diese Konnotation scheint sich im deutschen Sprachgebrauch immer mehr zu verlieren. Nämlich auf ein graues Geschluckt werden hinsteuert.
Auch davon erzählt der Roman Die undankbare Fremde, dem chronologisch der 2008 erschienene Roman DIE BESTE ALLER WELTEN vorausgeht, der Irena Brežná bereits als feinsinnige Sprachjongleurin, als ironisch-sarkastische Doppelagentin in der eigenen Sprache ausweist. Er spielt in den Aufbaujahren des tschechoslowakischen Kommunismus, und der entlarvende Blick der 11jährigen Protagonistin ist warmherzig und unerbittlich zugleich.