Textstudio Monika Lustig Karlsruhe

Monika Lustig

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Vita Germanica

Ende 2000: verließ ich MEIN Italien – Florenz, Greve in Chianti, Palermo, Modena, Sardinien, Insel ELBA, ging zurück nach Deutschland. Wie eine Nichtschwimmerin in kalten Gewässern. Und ausgerechnet in Karlsruhe, wo ich acht Jahre nach Kriegsende in einem Haus zur Welt kam, das wie viele Häuser dort erst nach dem Krieg zerstört worden war, machte ich mich auf die Suche nach Restbeständen einer alten, 1979 zurückgelassenen Heimat. In jenem Jahr hatte ich mein Studium der Philosophie und Germanistik an der Ruprecht-Karl-Universität, Heidelberg, abgeschlossen, wie es so schön heißt, aber mit einer Dissertation sollte es weiter- oder erst richtig losgehen. „Dass der Ruf, der von Italien ausging, auf Sie viel stärker wirkte und verlockender war als akademische Mühen, ist doch ganz natürlich!“ so der bald hundertjährige Hans-Georg Gadamer 1999 am Telefon, als ich ihn zur Verleihung der Ehrenbürgerwürde von Siracusa befragte. Es klang wie eine Absolution. Und, dass sich anheischig machen, Italien und die Italiener zu verstehen, einem nicht einfachen Studienfach gleichzusetzen war – diese Erfahrung hatte ich teuer bezahlt.

2001 Übersetzen, das ist ortsungebunden. Leicht gesagt. Überall kann man sich niederlassen und dieses Gewerbe ausüben. Die Sprachen, die Länder, die Erfahrungen, die trägt man mit sich. Ein ganzes Land im Leib. Also übersetzte ich weiter, im inneren Dialog mit dem Italienischen, die ganz und gar nicht vertrauten Karlsruher Töne am Ohr. Camilleri, Agnello-Hornby, Lucarelli, De Carlo, Fois, Fusco, Stassi und mehr. Und ich schrieb, schrieb um, schrieb erneut an meinem Roman „Die Wankelmütige Heimkehrerin”. Ich schrieb andere Geschichten für die Schublade. Ich schrieb Gutachten und Bittbriefe an Verlage, sich doch bitteschön für die vielen meiner literarischen Lieben zu erwärmen.

Pier Paolo Pasolini
…besetzte mein Denken, ich arbeitete mich an ihm ab.

2008 – wurde mein Interesse für Pier Paolo Pasolini und sein Werk zur Leidenschaft: Im Rahmen der „Europäischen Kulturtage: Rom“ hielt ich in der Literarischen Gesellschaft einen Vortrag über das „Leben und Sterben von PPP“. Und wie es vielen ergeht, die mit diesem Renaissancemenschen in Berührung kommen: er besetzte mein Denken, ich arbeitete mich an ihm ab. Ich erwarb die Rechte an dem Pasolini-Text „Pasolini in Weimar 1942.“ hielt darüber im Rahmen der Konferenz „Pasolini und seine Reisen“ im Deutschen Historischen Museum in Berlin einen Vortrag.

Es geht weiter. Mit Pasolini, mit „Der wankelmütigen Heimkehrerin“, mit Fois, mit Fusco …
2013 rief ich die Veranstaltungsreihe „Südwärts um die ganze Welt: Literatur. Gespräche. Philosophisches“ ins Leben.


Blitzlichter auf Leben und Arbeiten in Italien

Ende 1979 auf der Insel Elba, Capoliveri = Inselwinter, hartes Überlebenstraining, komplexe soziale Strukturen uralter Dorfgemeinschaften, Bergwerk, Etruskerreich, von den Felsen aus angeln, Flora und Fauna. Schnecken nach dem Regen mit nepitella. Spaghetti col riccio. Polpo alla livornese. Schiaccia ubriaca. Sprachlos werden. Eine neue Sprache mit unzähligen Kodes erlernen. Sich in ihr neu erschaffen. Mancherlei Fehlversuche. Mitarbeit an lokalen Zeitschriften und anderen Veröffentlichungen. Antrag auf Promotionsstipendium für Robert Walser wurde abgelehnt.

1982 die nächste Insel, Sardinien, Ulassai: Unterhalb des Wasserfalls Lequarci, wartete der Paradiesgarten mit Weinberg (Cannonau), Ölbäumen, fruchtbarer Gartenebene, Obst- und Nussbäumen aller Spezies und immer Früchte tragend, von den Nespole bis zu den Kaki und den Nikolausäpfeln. Stein- und Korkeichen, Wacholder, Erdbeerbäume. Tiefe grüne Teiche, gefräßige Wildschweine, listige Füchse, beeindruckende Schlangen. Ein lustiges Bächlein mit flinken Forellen zur Bewässerung der Äcker. Und dort kam mein Sohn zur Welt. Das Glück war rund. Die Verdienstunmöglichkeiten beträchtlich.

Ab 1985 Unterrichtstätigkeit Deutsch als Fremdsprache, auf allen Stufen, in Modena, Portoferraio, Florenz; Italienisch für Ausländer im eigenen STUDIO FIORE BLU. Dolmetschen, technische Übersetzungen.

…mein erstes Übersetzungsbuch:
„Leben und Sterben der Ulrike Meinhof“

1990 endlich zurück zur Literatur: Agentin, literarische Übersetzerin. Mein erstes Übersetzungsbuch war eines INS Italienische: „Leben und Sterben der Ulrike Meinhof“ von Mario Krebs. Das war ein Statement.

1993 – Eine Biografie über Leoluca Orlando schreiben, lautete mein Verlagsauftrag. Und ich schrieb. Und Sizilien, die dritte Insel, packte mich mit festem Griff. Bis heute. Ich entwarf einen erzählenden Dokumentarfilm über den Palermer Frühling („voci dall’off“), lernte Sizilianisch, freundete mich mit sizilianischen Autoren an, übersetzte sie, diskutierte mit ihnen. Und ich schrieb weiter.

Mittlerweile vom sardischen Ehemann getrennt, lebte ich mit meinem Sohn in Greve in Chianti – Gegend, wo der auf Touristenpaare spezialisierte Massenmörder Il Mostro di Firenze sein Unwesen trieb. Die 80er, 90er Jahre füllten die Kriminalstatistiken, aber nicht die Gefängnisse, und läuteten mit Berlusconi ein neues schreckliches Ventennio ein. Ich spezialisierte mich dank meiner Zusammenarbeit mit Kaos edizioni Milano auf politische Literatur im weitesten Sinn, landete 1995 als Agentin einen Bestseller „Via col vento in Vaticano“, in viele Sprachen übersetzt.

1997-1999 in Florenz – Mitarbeit als Co-Autorin am großen Deutsch-Italienischen Wörterbuch Zanichelli-Klett, dann wegen sich häufender Übersetzungsaufträge beendet.

Der Schritt zurück war unglaublich, tollkühn, schmerzlich.

Ende.

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